HAUPTVORTRÄGE DER TAGUNG
Freitag, 14.00-15.00h
Soziale Arbeit und Gesundheit – Es waren zwei Königskinder …
Holger Schmid (Olten, Schweiz)
Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb, sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief.
Was im Deutschen Volkslied besungen wird, könnte auch die Dramatik des Themas Gesundheit in der Sozialen Arbeit darstellen. Es ist seit jeher ein zentraler Bestandteil der Theorie und Praxis Sozialer Arbeit – gleichzeitig wird der Auftrag zur Erhaltung, Wiederherstellung oder gar Stärkung von Gesundheit in Frage gestellt. Mit einer Orientierung auf Krankheit hätte die Soziale Arbeit wohl weniger Probleme. Hier hilft die Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Gesundheit und Krankheit weiter.
Ist Gesundheit die strikte Abwesenheit von Krankheit? Ist die Vorstellung eines Kontinuums zwischen beiden, mit fließenden Übergängen adäquat? Gibt es vielleicht sogar eine relative Unabhängigkeit zwischen Krankheit und Gesundheit, wenn beispielsweise Krankheit neues Potenzial für Gesundheit wecken kann?
Gesundheit beinhaltet nach der schon 1946 von der WHO vorgelegten Definition das Vorhandensein völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Damit wurde ein Kontrapunkt zum immer noch in unserer Gesellschaft vorherrschenden biomedizinischen Modell gesetzt. Krankheiten verursachen 10% der vorzeitigen Sterblichkeit; gleichzeitig fließen 98% der Ausgaben des »Gesundheits«wesens in die Krankheitsversorgung. Das biopsychosoziale Modell ermöglicht die Eröffnung sozialer und psychischer Ressourcen und verspricht umfassende Wirkung auf Lebenskompetenz, Lebensqualität und Wohlbefinden. Soziale Phänomene (z.B. psychosoziale Probleme, Ausgrenzung und Benachteiligung) haben einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Durch Veränderung der Verhältnisse in denen Menschen leben und durch die Veränderung des Verhaltens von Menschen kann Gesundheit gezielt gefördert werden. Entscheidende Beiträge hierzu kamen und kommen aus der Sozialen Arbeit.
Für das Selbstverständnis der Sozialen Arbeit ist die künstliche Trennung in die Pflicht der (defizitorientierten) Krankheitsbekämpfung und die Kür der (ressourcenorientierten) Gesundheitsförderung aufzugeben. Ressourcenorientierung verspricht einen deutlichen Mehrwert in den spezifischen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit (z.B. öffentlicher Gesundheitsdienst, Sozialdienst in Kliniken, Suchtberatung, Rehabilitation). So wird ein neues Selbstbewusstsein über das Vehikel Gesundheit möglich, und die zwei Königskinder können zusammen kommen.
Freitag, 16.30-17.30h
Qualitätskriterien der Gesundheitsförderung am Beispiel der Gesundheit sozial benachteiligter älterer Menschen
Carola Gold (Berlin)
Der Stellenwert von Gesundheitsförderung und Prävention wird in Deutschland seit mehreren Jahren betont, ohne dass dies bislang zu einer Verbesserung der Rahmendbedingungen für Prävention geführt hat. Nicht nur fehlende Verantwortlichkeiten und Ressourcen, auch die starke Sektorierung in Deutschland erschweren nachhaltige Präventionsansätze.
Eine der großen Herausforderungen, die sich auch im Bezug auf Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland stellen, sind die sozial bedingt ungleich verteilten Gesundheitschancen. Um erfolgreiche Ansätze, die den Lebensbedingungen und Bedürfnissen von armen und ausgegrenzten Menschen Rechnung tragen zu identifizieren, hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung den Kooperationsverbund Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten initiiert.
Im Beitrag werden die besonderen Bedarfe und Herausforderungen der Gesundheitsförderungen bei sozial benachteiligten älteren Menschen vorgestellt. Präsentiert werden dabei auch die Qualitätskriterien, die für die Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten vom Kooperationsverbund entwickelt wurden.
Freitag, 17.30-18.30h
Lebensqualität im Mittelpunkt – Der Beitrag Sozialer Diagnostik
Peter Pantucek (St. Pölten, Österreich)
Entwicklungen im Gesundheitswesen in Richtung einer verstärkten Aufmerksamkeit auf Fragen der Lebensqualität und nicht-medizinischer Bedingungen der Stärkung von Gesundheit und Teilhabe verlangen eine stärkere Rolle und einen aktiveren Beitrag der Sozialen Arbeit. Verfahren Sozialer Diagnostik sind geeignet, diesen Beitrag deutlicher zu machen und das Profil einer klinischen Sozialarbeit zu stärken. Gleichzeitig helfen sie, die Reduktion der Sozialen Arbeit auf die Erledigung bürokratischer Verfahren zu überwinden.
Samstag, 09.00-10.00h
Verwirklichungschancen für ein gesundes Aufwachsen –
Die Perspektive des 13. Kinder- und Jugendberichts
Heiner Keupp (München)
Der 2009 vorgelegte 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung befasst sich erstmals mit gesundheitsbezogener Prävention und Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen. In diesem Beitrag werden die Konzeptbausteine skizziert, die die spezielle Perspektive dieses Berichtes ausmachen. Diese zielt auf eine Stärkung der Lebenssouveränität von Heranwachsenden durch die Verminderung bzw. den gekonnten Umgang mit Risiken und eine Förderung von Verwirklichungschancen, Entwicklungs- und Widerstandsressourcen. Maßnahmen der Gesundheitsförderung und gesundheitsbezogenen Prävention müssen Antworten auf die Fragen beinhalten, in welche Gesellschaft Kinder und Jugendliche hineinwachsen und welche Ressourcen sie benötigen, um sich an dieser Gesellschaft aktiv beteiligen zu können. Sie benötigen also eine zeitdiagnostische Komponente.
Die Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention der Kinder- und Jugendhilfe sind lebensweltbezogen zu entwickeln, an den sozialräumlichen Kontexten der Heranwachsenden zu orientieren und erfordern eine verbindliche Kooperation von Kinder-/Jugendhilfe, Gesundheitssystem und Eingliederungshilfen.